Musikvideo

Musikvideo
Mu|sik|vi|deo 〈[-vi:-] n. 15〉 = Videoclip

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Mu|sik|vi|deo, das:
Videoclip.

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Musikvideo
 
[englisch ], Musicvideo, auch Videoclip, visualisierte Form von Pop- und Rocksongs, die auf der magnetischen Bildaufzeichnungstechnik (Video) basiert und sich Anfang der Achtzigerjahre als künstlerisch und medial neuartige Existenzform der populären Musik durchgesetzt hat. Im Musikvideo sind die populärsten Medien der Gegenwart — Musik, Film und Fernsehen — zu einer Einheit gebracht. Es ist damit ein Ergebnis ästhetischer, technischer und musikalischer Entwicklungen. Entsprechend weitgefächert sind die Wurzeln. Sie liegen sowohl in den avantgardistischen Tendenzen der Medienkunst (Multimedia Art, Computergrafik, Videoinstallation) als auch im klassischen Musikfilm, in der experimentellen Bilder- und Formensprache der bildenden Kunst des 20. Jahrhunderts ebenso wie in der Werbegrafik, dem Werbefilm, der Werbefotografie, in Cartoon und Comicstrip, aber auch in der visuellen Musik, der Performance Art, dem avantgardistischen Film, in den Laser-, Licht- und Bühnenshows der Rockgruppen, der Fernsehrealisierung von Musikdarbietungen.
 
Die dem Musikvideo zugrunde liegende Idee der Visualisierung von Musik geht weit in die Geschichte zurück, und es gab immer wieder Versuche, sie zu realisieren. Das vermutlich erste Instrument zur Aufführung visualisierter Musik wurde Mitte des 16. Jahrhunderts von Giuseppe Arcimboldo (1527-1593), Hofkünstler am Prager Hof des Habsburgischen Kaisers Rudolph II., gebaut. Dessen »grafisches Cembalo« ordnete — ebenso wie das bekannter gewordene, von dem Jesuitenpater Louis-Bertrand Castel (1688-1757) entwikkelte »optische Cembalo« — über eine komplizierte Mechanik jedem gespielten Einzelton eine in den Raum projizierte Farbe zu. »Farborgeln« nach dem gleichen Prinzip wurden bis ins 20. Jahrhundert hinein gebaut, wobei das 1908 von Alexander Burnett Hector (1866-1958) in Australien hergestellte Instrument die technisch vollkommenste Lösung darstellte. Thomas Wilfred (1889-1968) ging mit seinem »Clavilux« noch einen Schritt weiter, indem er einen über eine Klaviatur gesteuerten Apparat konstruierte, der Farb- und Figurenkonfigurationen projizierte und als visuelles Begleitinstrument zur Musik eingesetzt werden konnte. Der Komponist Alexander Skrjabin (1871-1915) notierte 1910 in der Partitur zu seinem »Prometheus« (op. 60) erstmals einen vollständigen Part für ein solches Farbklavier.
 
Mit dem Film bekam die Idee der Visualisierung von Musik eine neue Grundlage. Oskar Fischinger (1900-1967), der in den Zwanzigerjahren zu den Pionieren des avantgardistischen abstrakten Films gehörte, produzierte zwischen 1921 und 1953 etwa dreißig Filme, in denen er mit rhythmisch wechselnden Formen- und Figurenkombinationen der Musik ein visuelles Äquivalent zu schaffen suchte. Der Tonfilm hat dann ab 1929 die Möglichkeiten für solche Experimente erheblich erweitert. Insbesondere James Whitney (1921-1982), Jordan Belson (* 1926) und Harry Smith (* 1923), Letzterer u. a. in der Zusammenarbeit mit Thelonius Monk, aber auch Hy Hirsch (1911-1961) und Norman McLaren (* 1914), der mit »Begone Dull Care (Caprice en Couleurs)« (1949) Musik des Oscar Peterson Trios verfilmte, haben sich in der Nachfolge von Fischinger mit den Möglichkeiten der filmischen Visualisierung von Musik auseinander gesetzt. McLaren nutzte 1969 in »Pas de deux« unter Verwendung eines Optical Printers auch zum ersten Mal ein multiples Bild, wie es heute auf der Basis des einfacheren elektronischen Luminance-Key-Verfahrens in nahezu jedem Videoclip zu finden ist. Auf Hy Hirsch geht die Technik des optischen Kopierens zurück, die als Chromakey (Zusammenkopieren verschiedener Bilder) und Matting (Zusammenkopieren von Positiv und Negativ des gleichen Bildes) bekannt geworden ist und heute ebenfalls zum visuellen Standardrepertoire des Musikvideos gehört.
 
Eine neue Etappe in diesem Prozess wurde in den Sechzigerjahren schließlich mit dem Computerfilm eingeleitet, der auf der Grundlage der Magnetbandspeicherung von Bildinformationen und der computergesteuerten Bildanimation möglich geworden war. Insbesondere das Ehepaar Steina Vasulka (* 1940) und Bohuslav »Woody« Vasulka (* 1939) sind mit ihren Arbeiten hier wegweisend gewesen. Der 1971 vorgestellte Direct-Video-Synthesizer erlaubte dann schließlich die vollsynthetische Herstellung von Bildern, was heute nicht nur im Musikvideo ausgiebig genutzt wird, sondern auch bei der Titelgestaltung im Fernsehen sowie überaus reichlich in der Fernsehwerbung Anwendung findet. Mit dem Videosynthesizer erlebte eine Entwicklung ihren Höhepunkt, die in Korrespondenz mit der abstrakten Malerei und der gegenstandslosen Fotografie künstlerische und technische Verfahren hervorgebracht hat, ohne die das Musikvideo von heute nicht denkbar wäre. Die lineare Koppelung von Ton und Farbe, wie sie dem Konzept von Farborgeln bzw. Farbklavier zugrunde lag, rhythmisch wechselnde Farb- und Figurenkonfigurationen als visuelles Äquivalent zur Musik, das multiple Bild und die elektronische Bildsynthese, Chromakey und Matting sind zu Stereotypen in der Bildersprache des Musikvideos geworden.
 
Ein weiterer Entwicklungsstrang hat seine Wurzeln in Multimedia und Performance Art. Der Koreaner Nam June Paik (* 1932) sorgte mit seinen Videoskulpturen und -installationen schon in den frühen Sechzigerjahren für großes Aufsehen. Mit einer Art Videoklavier, seinem Paik-Abe-Videosynthesizer, schuf er eine eigenwillige Bildersprache zu Musik, derer man sich in den heutigen Videoklipps reichlich bedient. Projektionen und vorproduzierte Videobänder wurden insbesondere von Laurie Anderson (* 1947) und Yoko Ono (* 1933) bei ihren musikalischen Performances eingesetzt, was zu einer optisch-musikalischen Syntheseform geführt hat, die ebenfalls dem Musikvideo maßgeblich den Weg ebnete.
 
Standen hier das künstlerische Experiment und die Suche nach neuen Ausdrucksmedien in der Verbindung von musikalischer und visueller Erfahrung im Vordergrund, so sind andererseits im Musikfilm (Filmmusik) und bei der Fernsehrealisierung von Musikdarbietungen (Fernsehen) optische und choreographische Standards geschaffen worden, die auch die visuelle Umsetzung von Musik im Video geprägt haben. Zu verweisen ist in diesem Zusammenhang insbesondere auf die geometrischen Tanzarrangements von Busby Berkeley (1895-1976), die für eine Vielzahl von Musical-Filmen Hollywoods kennzeichnend waren und in den Videoklipps ein immer wieder kopiertes Vorbild sind. Neben den unzähligen Musikfilmen, die die Entwicklung der populären Musik seit den Zwanzigerjahren begleiten, haben die für die einschlägigen Rock- und Popmusikprogramme im Fernsehen entwickelten visuellen Stereotype tiefe Spuren im Video hinterlassen. Die aber wohl entscheidendsten Einflüsse auf die visuelle Gestaltungsweise des Musikvideos gingen von der Werbung und dem Werbefilm aus, was sich nicht zuletzt aus der Funktion des Musikvideos als Mittel der Schallplattenwerbung und aus der Tatsache erklärt, dass hier nicht wenige ehemalige Filmemacher aus der Werbebranche ein neues und attraktives Betätigungsfeld fanden. Von ihnen sind schon lange vor der Entwicklung des Musikvideos Anregungen aus jenen kunstgeschichtlichen Zusammenhängen aufgegriffen und aufbereitet worden, die dann auch — entweder im direkten Rückgriff oder über den Umweg der Film- und Fernsehwerbung — die Bildersprache der Videoklipps geprägt haben. Rasante, computergesteuerte Schnittfrequenzen im Rhythmus der Musik, zur Totale überdimensionierte Gegenstandsdetails, surrealistische Bildsequenzen zur Verbindung zeitlich und räumlich zusammenhangloser Bildobjekte, leitmotivartige Gegenstandsbindungen sowie die immer wiederkehrenden Topoi zerspritzenden Wassers und zerberstender Gegenstände in Zeitlupe (Slow Motion) sind einige der charakteristischen Anleihen aus dem Werbefilm.
 
Damit haben im Musikvideo populäre Kultur (Musik, Film, Fernsehen, Werbung) und die Sprach- und Formexperimente der künstlerischen Avantgarde (visuelle Musik, abstrakter Film, gegenstandslose Malerei und Fotografie) zu einer Synthese gefunden, die die Ästhetik dieser neuartigen Existenzform der populären Musik nachhaltig geprägt hat und sie von allen vorangegangenen Versuchen der Visualisierung von Musik wesentlich unterscheidet. Freilich hat sich diese Entwicklung nicht voraussetzungslos vollzogen. So wie im Musikvideo ästhetische Konzepte und technische Verfahren zusammengebracht wurden, die jeweils ihre eigene Geschichte haben, hat auch das Musikvideo selbst Vorläufer besessen. Schon während der Swing-Ära (Swing) in den Dreißigerjahren wurden für die Vorprogramme der Kinos Kurzfilme zu den populärsten Swing-Titeln hergestellt. Sie zeigten die Interpreten in Aktion und waren mit choreographischen und anderen Einlagen durchsetzt, um für den Zuschauer attraktiv zu bleiben. Eine Fortsetzung fand das in den Jukebox-Filmen (Music-Box) der Fünfzigerjahre — Endlosfilmschleifen, die die abgespielten Schallplatten illustrierten; eine Praxis, die in den Sechzigerjahren in den USA mit der Entwicklung von Videodisc-Automaten (Videodisc) fortgesetzt wurde. Mit dem Einzug der Rockmusik ins Fernsehen kamen die Promotionfilme auf, die anstelle der Bands in die Fernsehanstalten geschickt wurden. »Penny Lane« (1967) und »Strawberry Fields Forever« (1968), die die Beatles gemeinsam mit dem schwedischen Avantgarde-Filmmacher Peter Goldman (* 1945) produziert hatten, sind die bekanntesten Beispiele dafür. Schon 1969 produzierte Daniel Pearl (* 1940) zu »So You Want to Be a Rock ' Roll Star« von den Byrds einen Minifilm, der bereits alle Insignien des heutigen Musikvideos trug. Auch der 1975 von Bruce Gowers (* 1938) für Queens »Bohemian Rhapsody« produzierte Videofilm gehört, ebenso wie seine Arbeit zu »Robbery, Assault and Battery« (1976) von Genesis, in diese Reihe der unmittelbaren Vorläufer des Musikvideos. Ein fester Bestandteil des künstlerischen Gesamtkonzepts war das Musikvideo zu diesem Zeitpunkt bereits bei Devo, die u. a. mit den von Chuck Statler (* 1950) produzierten »Jocko Homo« (1976) und »Secret Agent Man« (1976) auf die Möglichkeiten dieses neuen Mediums aufmerksam machten; sowie bei den Residents, deren »Land of 1000 Dances« schon 1972 fertig gestellt wurde, allerdings erst ab Mitte der Siebzigerjahre öffentlich zu sehen war. Als Sony und JVC 1977 ihre Heimvideorekorder auf den Markt brachten, begann der Vertrieb von Videokassetten mit Konzertmitschnitten. Ebenfalls etwa ab diesem Zeitpunkt setzte sich auch innerhalb der Musikindustrie die Nutzung von Videos für den hausinternen Gebrauch durch, um den Auslandsvertretungen damit die Erarbeitung einer gruppengerechten Marketing-Strategie (Marketing) für die jeweiligen Auslandsmärkte zu erleichtern. Doch erst die britische New Romantics-Welle (New Romantics) brachte mit ihrer auf die Image-Kreationen von David Bowie zurückgehenden verspielten Künstlichkeit im visuellen Erscheinungsbild der Bands dem Musikvideo Ende der Siebzigerjahre den endgültigen Durchbruch. Hier fand die inzwischen etablierte Videoindustrie, wie Limelight Film and Video (London), Limelight U.S. (Los Angeles), Jon Rosemann Productions (London), Keefco Production (London), Pacific Arts Video (Los Angeles) und MGM (Mulcahy/Godfrey/Mallet) Production (London/Los Angeles), um nur die für den Musikbereich wichtigsten zu nennen, erstmals ein auch kommerziell lohnenswertes Betätigungsfeld. Mit der Entstehung von Video-Vertriebsorganisationen wie der 1980 als größte ihrer Art in den USA gegründeten RockAmerica, die die Klubs und Diskotheken kontinuierlich beliefern, erhöhte sich der kommerzielle Stellenwert dieses Mediums noch einmal beträchtlich. Die Folge war eine explosionsartige Ausbreitung des Musikvideos, die sich 1981 mit MTV (Music Television) schließlich in der Entwicklung eines entsprechenden Fernsehprogrammtyps niederschlug. Zugleich erfolgte damit die endgültige Festlegung des Musikvideos auf die Funktion eines Werbeträgers für die Schallplatte, womit es in Zusammenhänge geriet, die seiner Gestaltung genau fixierte Grenzen setzten. So bildete sich in Abhängigkeit von den zugrunde liegenden Songs mit ca. drei bis vier Minuten Länge ein Standardformat heraus, das — von einigen bemerkenswerten Ausnahmen einmal abgesehen (z. B. dem von Arnold Levine produzierten Video zu Bruce Springsteens »Atlantic City«, 1982) — zudem noch dem Zwang unterliegt, als Bestandteil einer Image-Konzeption (Image) den Sänger bzw. die Gruppe auf eine bestimmte Weise ins Bild zu setzen. Dafür haben sich Gestaltungskonzepte herausgebildet, die als mehr oder weniger optimale Lösungen verschiedene Typen des Musikvideos voneinander unterscheidbar machen.
 
Der attraktivste und allerdings auch kostspieligste Videotyp ist das freie Konzeptvideo, dessen Gestaltungskonzept insbesondere von dem in Großbritannien lebenden australischen Filmemacher Russell Mulcahy (* 1955) geprägt wurde. Er hat seit seiner Arbeit für »Video Killed the Radio Star« (1980) von den Buggles bis hin zu den spektakulären Visualisierungen der Duran-Duran-Songs (insbesondere »Wild Boys«, 1985) einen Gestaltungsstil entwickelt, der ihn nicht nur zu einem der gefragtesten Videoautoren gemacht hat, sondern auch zum Maßstab für dieses Medium wurde. Kennzeichnend für seine Arbeiten ist eine freie Assoziationsstilistik, die die Songs mit den typischen Bildstereotypen der Massenkultur — den immer wiederkehrenden Motiven aus Action- und Science-Fiction-Filmen, aus der Werbung und der Werbefotografie — unter Ausnutzung aller optischen Effektmöglichkeiten wie Chromakey, Steadycam, Slow Motion, Solarisation und permanentem Format- und Perspektivwechsel in rasanten Schnittfolgen überzieht. Die scheinbar zusammenhanglosen Bildmontagen appellieren an die Assoziationsfähigkeit des Betrachters und nutzen das Reservoir vorangegangener Medienerfahrung, die Vertrautheit mit den eingesetzten Bildsymbolen. Vor allem die zu Videoautoren ihrer eigenen Songs gewordenen Musiker wie David Bowie (* 1957) — etwa mit »Ashes to Ashes« (1980) und »Let's Dance« (1983, beide gemeinsam mit David Mallet) — oder David Byrne (* 1952) von den Talking Heads — etwa mit »Once in a Lifetime« (1980, gemeinsam mit Tony Basil) und »Burning Down the House« (1983) — haben sich dieser Form des Musikvideos verschrieben. Erwähnt seien in diesem Zusammenhang auch Stephen Johnson (* 1954), der mit seinen originellen Arbeiten für Peter Gabriel (insbesondere zu »Sledgehammer«, 1986) und die Dire Straits (z. B. »Walk of Life«, 1984) auf sich aufmerksam gemacht hat, sowie Bill Mother (* 1955), der zu »Brothers In Arms« (1986) von den Dire Straits erstmals ein Video zeichnen ließ.
 
Der Typ des narrativen Konzeptvideos wurde insbesondere von Spielfilmregisseuren entwickelt. Grundprinzip dieses Gestaltungskonzepts ist die Umsetzung der Textvorgabe des Songs in eine Minifilmgeschichte, wie dies etwa durch Hollywood-Regisseur John Landis (* 1940) zu Michael Jacksons »Thriller« (1982) geschehen ist. Geprägt wurde dieses Videogenre vor allem aber durch die Arbeiten von Julien Temple (* 1954) aus Großbritannien, der für die Kinks (z. B. »Predictable«, 1981; »Come Dancing«, 1983), für Culture Club (»Do You Really Want to Hurt Me?«, 1982), für die Rolling Stones (z. B. »Undercover of the Night«, 1983; »She Was Hot«, 1984) und für Mick Jagger (z. B. »Just Another Night«, 1985) beispielhafte Videos in diesem Stil produziert hat. Auch hier wird nicht selten auf Vorlagen zurückgegriffen, die dem Betrachter aus Film und Fernsehen bereits bekannt sind. Verwiesen sei etwa auf »Land of Confusion« (1986) von Genesis, bei dem die Regisseure Jim Yukich (* 1953) und John Lloyd (* 1951) Puppen einsetzten, die nach dem Vorbild der populären politisch-satirischen Fernsehserie »Spitting Image« der BBC gestaltet waren.
 
Die häufigste Form des Konzeptvideos aber basiert auf einer Kombination von freiem und narrativem Gestaltungskonzept und ist maßgeblich durch die Ästhetik des Werbefilms geprägt. In die Totale überdimensionierte Gegenstandsdetails, die sich leitmotivartig durch die Bildgestaltung hindurchziehen und die Erzählstruktur immer wieder durchbrechen, kennzeichnen diesen Videotyp. Neben Bob Giraldi (* 1939), der zu Michael Jacksons »Beat It« (1983) und zu Lionel Ritchies »Running with the Night« (1984) Prototypen dieser Videoform schuf, ist insbesondere auf Tim Newman (* 1943) zu verweisen, dessen visuelle Umsetzung von ZZ Tops »Gimme All Your Lovin'« (1983) zum Überzeugendsten gehört, was in diesem Genre produziert wurde. Einen Namen gemacht hat sich hier auch Steve Barron (* 1956), der seit seinem Video zu Human Leagues »Don't You Want Me« (1981) zu einem der meistbeschäftigten Videoproduzenten gehört. Auch die Mehrzahl der Madonna-Videos ist diesem Typ verpflichtet, wie beispielsweise das spektakuläre »Like a Prayer« (1989) von Mary Lamberth (* 1950).
 
Die große Mehrzahl der Musikvideos ist nicht zuletzt aus Kostengründen als Performancevideo gestaltet, d. h. es handelt sich um nichts anders als eine mehr oder weniger effektvoll realisierte Aufzeichnung eines Live- oder Studio-Auftritts, wie dies vom Fernsehen her bekannt ist. Die Musiker werden in eine Studiokulisse gestellt und mimen lippensynchron zu ihrem Song, bzw. es wird eine Konzertaufzeichnung nachträglich zum Video zusammengeschnitten. Dieser Typ prägt insbesondere seit Mitte der Achtzigerjahre das Erscheinungsbild des Musikvideos, da sich inzwischen herausgestellt hat, dass für den beabsichtigten Werbeeffekt die Tatsache des Vorhandenseins eines Videos letztlich entscheidender ist als seine Qualität. Die künstlerischen Möglichkeiten dieses neuen Mediums sind damit in gewisser Weise wieder zurückgenommen, auch wenn dieser Trend, der rein kommerziellen Erwägungen geschuldet ist, kaum von Dauer sein dürfte. Freilich hat es auch in diesem Genre durchaus überzeugende Beispiele gegeben. Brian Greenbergs (* 1947) Videos zu »1999« (1981) und »Little Red Corvette« (1981) von Prince sind hier ebenso zu nennen wie die Arbeiten von Kevin Godley (* 1945) und Lol Creme (* 1947), beide ehemals Musiker bei 10CC, u. a. für Police (»Every Breath You Take«, 1983) oder David Baileys (* 1955) Video-Version von Frankie Goes To Hollywoods »Rage Hard« (1986).
 
Die damit herausgebildeten Grundtypen sind in den letzten Jahren durch den massiven Programmbedarf der nach dem Vorbild des amerikanischen Music Television überall entstandenen Musikvideokanäle zur Grundlage einer kaum überschaubaren Massenproduktion von Videos geworden, die parallel auch auf Videokassette direkt vermarktet werden. An der Form des Musikvideos hat sich damit freilich nichts geändert. Lediglich die aus Film, Fernsehen und Werbung hinlänglich bekannten und sich immer schneller abnutzenden digitalen Spezialeffekte wie Morphing (etwa das Video zu Michael Jacksons »Black or White« [1991]) haben auch hier Einzug gehalten. Doch die im Programmumfeld des frühen MTV ausgebildeten Gestaltungskonzepte sind noch immer die professionellen Standards, schon deshalb, weil die Videoproduktion zunehmend wieder — analog dem Werbefilm — durch arbeitsteilig und hochgradig rationalisiert arbeitende Produktionsfirmen geprägt ist. Musikvideos basieren damit häufig auf Zuarbeiten aus ganz unterschiedlichen Quellen, die sich an den vorhandenen Gestaltungsstandards orientieren und orientieren müssen, sollen sie sich problemlos zusammenfügen lassen. Für individuelle bildkünstlerische Handschriften ist dabei immer weniger Raum, auch wenn sich etwa mit Anton Corbijn (* 1955), der sich mit seinen Arbeiten für Nirvana (u. a. »Smells Like Teen Spirit«, 1991) hervorgetan hat, Tamra Davis (* 1963), u. a. Videoproduktionen für NWA, Husker Dü und Black Flag, oder Richard Kern (* 1954), dessen Arbeiten für Sonic Youth besondere Erwähnung verdienen (u. a. »Death Valley '69«, 1985), immer wieder Einzelautoren behaupten konnten. Dennoch dominieren inzwischen eindeutig Genrekonventionen, die musikalische Stile und Spielweisen mit jeweils ganz bestimmten Gestaltungsstandards verbinden. So ist die Pseudodokumentation von Liveauftritten in der Art des Performancevideos inzwischen die Norm für Heavy-Metal-Rock geworden. Hier ist eine Fokussierung auf den Star, der im Konzeptvideo einen entscheidenden visuellen Bezugspunkt liefert, angesichts des ausgeprägten Bandcharakters dieser Musik nicht möglich. Gleiches gilt für den Dancefloor-Bereich, wo der Charakter der Musik zumeist die Anwesenheit ganzer Armeen von Tänzern erfordert. Aus ähnlich pragmatischen Gründen wird der Typ des Performancevideos auch für Rap-Artisten bevorzugt. Hier führt der Sprechgesang zu einer hohen Dichte auf der Textebene und meist auch zu schwieriger Textverständlichkeit, was dem Konzeptvideo entgegensteht. Demgegenüber hat sich vor allem die narrative Form des Konzeptvideos im Bereich der Countrymusic behauptet, liefern die Songs hier doch meist schon eine unmittelbare Erzählvorlage, während die freie Form des Konzeptvideos schon aus Kostengründen eher selten zu finden ist.

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Mu|sik|vi|deo, das: Videoclip.

Universal-Lexikon. 2012.

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